Sanft – ja. Schonend – nein nein nein und nochmals nein!

Konkrete Fragen zur CANTIENICA®-Methode und zum CANTIENICA®-Training.
Antworten
Benita Cantieni
Beiträge: 3147
Registriert: 22. Januar 2009, 08:07
Kontaktdaten:

Re: Sanft – ja. Schonend – nein nein nein und nochmals nein!

Beitrag von Benita Cantieni »

PS: Gestern las ich vor dem Einschlafen in dem fabelhaften Buch "Eine kurze Geschichte der Menschheit" von Yuval Noah Harari, dass unsere Gehirne schrumpfen, weil wir uns körperlich so sorgfältig chronisch unterfordern.
Benita Cantieni
Beiträge: 3147
Registriert: 22. Januar 2009, 08:07
Kontaktdaten:

Sanft – ja. Schonend – nein nein nein und nochmals nein!

Beitrag von Benita Cantieni »

Gestern wagte sich eine Studiokundin für ihre 6. CANTIENICA®-Lektion in eine meiner Fortgeschrittenen-Lektionen. Ich stellte mich vor, mit Händeschütteln (ja, wir machen das noch). Die Zeit war knapp, zu knapp, um herauszufinden, was sie, ich nenne sie jetzt mal Anna, schon weiss von Multifidus mit Frackschösschen und Stehkragen, Sanduhrmuskeln, Brustbein-mit-Wirbelsäulendrehs, von ausgedehnten Kreuzbeinen und Wirbelreisen, von Quadrantendehnungen im Gaumen und Kreuzgiebelatmungen fürs Zwerchfell. Also sagte ich, sie soll einfach machen, was sie versteht, sich vorstellen, was sie sich vorstellen kann, und auslassen, was sie noch nicht begreift. Sie berichtete mir von ihren Schmerzen und davon, dass sie keinen Zugang habe zu ihrem Körper, das sagten auch alle ihre Yoga-Instruktoren, ihre schöne Hand bewegte sich abschätzend an ihrem Körper nach unten. Deshalb komme sie ja, um ihre Selbstwahrnehmung wiederzufinden. Sie werde wahrscheinlich viele Pausen machen.

Ich eröffnete die Lektion mit einer der Übungen, in denen niemand ausweichen kann – und staunte. Über die Leichtigkeit, mit der sich Anna aufspannte, über die Lebhaftigkeit ihrer Muskeln, über die Beweglichkeit. Und so verwarf ich meinen Impuls, die Lektion zurückhaltend zu gestalten, und machte in meinem gewohnten Tempo weiter, ohne Pause von Übung zu Übung. Auch Anna machte keine Pausen. Sie hielt mit.

Irgendwann sagte Anna: "Das ist erstaunlich, es tut nichts weh." Am Schluss fragte sie die anderen Teilnehmer/innen der Lektion: "Ist das hier immer so streng?" Alle lachten. "Das fanden Sie streng", anwortete Carl, "sie kann noch ganz anders." Ich sagte, jetzt kommt der Grund für diesen Beitrag, "meine Methode will alles ausser – schonen. Wie fühlen Sie sich denn, Anna?"

"Ich fühle mich toll. Ich habe keinerlei Schmerzen." 

"Jetzt müssen Sie nur noch herausfinden, wie Sie diese Schmerzfreiheit in Ihrem Alltag jederzeit und überall herstellen."

"Wie mache ich das denn?"

"Schritt 1: Freundschaft schliessen mit 'dem Schmerz'. Er sagt Ihnen zuerst einfach nur: Das gefällt mir nicht, was du da mit mir Körper machst. Machen Sie es anders, löst sich der Schmerz auf."

Sofort spannte sich Anna wieder zu ihrer vollen Grösse auf. 

"Der Rest ist Wille, Disziplin, furchtlose Selbstwahrnehmung und liebevolle Selbstermutigung."

Anna denkt einen Moment nach, dann sagt sie: "Und es stimmt, an allen anderen Orten, auch in den anderen Cantienica-Lektionen, werde ich geschont. Ich will nicht mehr geschont werden, ich komme wieder."

Es gibt Kolleg/innen, die mich darum beneiden, dass ich so viel aus eigener Erfahrung über Schmerzen weiss. Klingt paradox, doch verstehe ich, was sie und wie sie es meinen. Ich fürchte mich in der Tat nicht vor Schmerzen. 

Tun sie es auch nicht. Erstens. Nehmen Sie Neuschmerz dankbar an, fragen Sie ihn, den Schmerz, was er ihnen sagen will. Er wird antworten. Geben Sie ihm ein bisschen Zeit, in den Dialog mit Ihnen zu treten. Und verändern Sie sofort Ihre Haltung. Indem Sie einfach all das machen, was Sie in den Lektionen lernen.

Erwarten Sie in den CANTIENICA®-Lektionen keine Schonung. (Zweitens.) Die Methode ist gut zum Körper. Sie respektiert die Natur von Knochen, Gelenken, Sehnen, Bändern, Faszien und Muskeln. Die Methode ist sanft und sicher im Sinne von körpergerecht.

Körpergerecht ist alles, nur nicht schonend.

Verlangen Sie Herausforderung, falls Sie geschont werden (drittens). Dann wird das mit der Schmerzfreiheit. Mit der Leichtigkeit. Mit der Aufspannung. Mit der aktiven Entspannung. Dann wird das mit dem Körperglück.

Und schliesslich mal wieder mein Anspruch und Anruf an die wachsende Zahl von CANTIENICA®-Instruktor/innen (die ich voller Dankbarkeit verfolge, auch wenn ich nicht mehr im Tagesgeschäft bin): Bitte nicht schonen. Wer sich und andere schont, wird nie erfahren, wie viel Kraft, Beweglichkeit, Widerstandsfähigkeit, Reaktionsfähigkeit, wie viel Gesundheit und – wie viel Schönheit im eigenen Körper stecken.

Anna drehte sich im Korridor vor einem Spiegel um ihre neu entdeckte Mittelachse und murmelte: "Erstaunlich, ich sehe schon anders aus." Das Gesicht war strahlend und offen, keine Spur von Schmerzen.

Ich wünsche allen einen körperglücklichen Donnerstag, BC
Antworten